Wann immer ich mich 2025 mit Kollegen unterhalten habe, waren ChatGPT & Co. das Thema Nr. 1. „Ich hätte mir nicht gedacht, dass es so schnell geht“, meinte ein Kollege aus der Medienbranche. „Ich wünschte, es hätte uns später erwischt“, sagte ein befreundeter Texter, Mitte-Ende 50, der schon auf die Pensions-Ziellinie schielt.
Die KI hat uns allen einen Schrecken eingejagt. Denn sie zaubert in Sekundenschnelle Texte, die auf den ersten Blick völlig überzeugend wirken – und das in allen erdenklichen Varianten und Stillagen.
Texte, die so tun, als ob
Schaut man genauer hin, merkt man, dass die KI-Texte Mimikry sind. Sie tun so, als hätten sie Stil und Geist, sind aber im Kern mittelmäßig. Kein Wunder, sie beruhen auf Wahrscheinlichkeiten. Und Wahrscheinlichkeiten arbeiten mit Mittelwerten.
Für viele Zwecke ist das völlig okay. Ob ein klischeehafter Tourismustext von einem Menschen stammt oder von der KI gesampelt wurde, ist – auf gut Österreichisch – ghupft wie ghatscht.
Texte wie Tiefkühlpizza
Beispiel gefällig?
„Lassen Sie den Alltag hinter sich und tauchen Sie ein in unsere Welt der Entspannung: wohltuende Spa-Anwendungen, exklusive Ruhezonen, regionale Schmankerl …“
(ChatGPT)
Solche KI-Texte sind wie Tiefkühlpizza: schnell, heiß, im Geschmack oft passabel. Aber niemand erinnert sich lange daran (außer man verbrennt sich die Zunge am heißen Käse).
Spannend wird’s erst, wenn ich die KI nicht im Werbetextmodus schreiben lasse, sondern ihr eine literarische Steilvorlage liefere. Wenn ich beispielsweise prompte: „Schreib mir einen Text für ein Wellness-Hotel im dadaistischen Stil.“
Dann klingt das so:
„Blaublubb der Berge, Dampf tanzt Tango mit der Sonne. Ein Handtuch schwebt durchs Universum, murmelt: ‚Entspannung ist Revolution.‘ Ein Stein sagt: ‚Ich war mal Stress.‘ Die Seele kippt ein Sprudelbad.“
Das ist schon weitaus unterhaltsamer. Und hier findet sich auch eine Perle in der Auster. Da blitzt etwas auf. Eine Zeile, die hängen bleibt. Ein Satz, der Bilder im Kopf anreißt.
Ein Stein sagt: „Ich war mal Stress.“
Diesen Satz würde ich nehmen und unter ein Bild von einem Steinmännchen setzen. Was zeichnet diesen Satz aus? – Da spricht etwas zu uns und setzt eine Geschichte in Gang, öffnet Möglichkeitsräume statt Fertigpizzapackungen. Die Seele kippt in ein Sprudelbad. (Auch ein schöner Satz, wenn man das „in“ ergänzt.)
Und genau das ist der springende Punkt: Die KI braucht nicht nur die richtigen Prompts, sondern auch jemanden, der ihre Hervorbringungen kuratiert. Der die Richtung vorgibt, den Stil auswählt, den Rhythmus bestimmt. Der weiß, was ins Töpfchen kommt – und was ins Datennirwana. Kurz: KI-Texte brauchen User mit hoher Textkompetenz. Profis, die es im Gespür haben, was wen wie anspricht. Und die schließlich wissen, wie sie das Material, das die KI laufmeterweise ausspuckt, auswählen und im Mosaik des Textganzen an der richtigen Stelle zum Leuchten bringen.
Man darf nur nicht den Fehler machen, einen Text von Grund auf von der KI schreiben zu lassen. Denn diese Sätze fühlen sich an wie Mikroplastik, das die Blut-Hirn-Schranke passiert. Man muss im ersten Schritt selbst durchdenken, wo die Reise hingeht. Erst wenn ein Rohtext steht, können ChatGPT & Co. beim Überarbeiten helfen. Und dann ist nochmal viel Handarbeit nötig, bis das Ergebnis sitzt.
Prinz statt Aschenputtel
Für einen Moment hat die KI uns Kreative von der Texterzunft in ein Aschenputtelkleid gesteckt. Aber eigentlich sind wir der Prinz, der die Hochzeit schmeißt. Denn erst wenn man die KI mit menschlichem Sprachbewusstsein einsetzt, mausert sie sich von einer Krücke zu einem Vehikel, das einen schneller ans Ziel bringt.


