Gelächter im Paradies Nr. 4

„Lasst uns lieber schallend lachen als laut weinen“, steht als Motto auf dem Buchrücken, und es stimmt: „Das galaktische Museum“ von Ghimel Lehmig ist ein guter Ort, um in das homerische Gelächter einzustimmen, das aus diesem Buch erschallt. Der auf drei Teile angelegte Roman schildert die philosophischen Abenteuer einer Freundesrunde, die allesamt in den Gefilden der Kunst unterwegs sind und in ihren Gedanken, Taten und Worten aus dem Vollen schöpfen.

Band 1, „Der Geburtstag“, berichtet vom Zusammentreffen der Künstlerrunde in einem oststeirischen Winkel namens Paradies, Hausnummer 4, wo die Freunde den Geburtstag von Paule feiern. Die Damen und Herren – sie heißen Brille, Ray, Flouise, Brunhilde usw. – sind in die besten Jahre gekommen und können auf ein reiches und verwegenes Wirken zurückblicken. Sie haben bei ihren Kunstaktionen mit großem Erfolg Termiten in Holzmuseen eingeschleust,  die österreichische Luftwaffe mit Ballons in Lokomotivform verwirrt und gern und oft in Sinnengenüssen geschwelgt: Sex & Rausch und gutes Essen. Schon in Buch 1 offenbaren sich die anachronistischen Qualitäten von Ghimel Lehmigs Literatur, denn der Autor (natürlich ein Pseudonym) bedient sich einer leider aus der Mode gekommenen, opulenten Sprache, die vor Sinnlichkeit und Bildern beinahe übergeht, wie das folgende Beispiel zeigt:

Die Übergänge von nüchtern zu angeheitert nach beschwipst und schwer besoffen führten im Paradies 4 allmählich ineinander. Ich will damit sagen, sie schlichen sich auf leisen Pfoten an. Der Rausch brach nicht herein wie die Nacht in Sabha, die atemlos die Dünenkämme schluckt und die Milchstraße in ein Nachtblau speit, dass man jede Erinnerung abrupt verliert. Vielmehr schlich der Rausch dahin wie die Mittsommernacht, wie Tag und Nacht, die der Barkeeper in Kajani in ein Cocktailglas kippt. Die Übergänge des Rausches in Paradies 4 waren das Schönste.

Leidenschaft und Irrwitz

In Passagen wie diesen – und das „Galaktische Museum“ ist voll davon – mischen sich Welterfahrenheit und Leidenschaft mit einem guten Schuss kreativem Irrwitz. Der kommt vor allem im soeben erschienen Band 2, „Das Museum“, zur Geltung. Hier werden wir entführt in die nahe Zukunft, wenn Robots und künstliche Intelligenzen – die quallenförmigen Inouts – das Weltgeschehen übernehmen. In der Religion der Inouts werden Gottesdienste gefeiert, die wie Turniere am Flipperautomaten ausschauen.

Der Gottesdienst findet unter ohrenbetäubendem Lärm statt. Nicht nur, dass alle am Spiel beteiligten Bestandteile eine auf- und abschwellende Tonfolge tröten – die Schläger an sich, die Twilight Zone und die Outlane, die stoßdämpferfreie Zone und der Fokus, die Heiligenmaschine, die linke Rampe und die rechte Spirale, nicht zu vergessen die Orgel und die Vergelts-Gott-Passage – nein, bei jedem Treffer heulen die Elemente auf und vergeben mit knatterndem Applaus die Punkte. Da sind Himmel und Hölle in Bewegung, und jeder fürchtet den Moment der Stille, wenn die Seele im schwarzen Sack verschwindet. Noch mehr jedoch fürchtet man sich vor dem rollenden Rülpser, der danach folgt.

Zum Glück handelt es sich bei diesen Ereignissen nur um die Phantasmagorien unserer Künstlerfreunde, die über die Bedeutung der bildenden Kunst in der Gegenwart und Zukunft philosophieren und dabei auf verheerende Geldmaschinen und prallbrüstige Sexautomaten mit sechs Beinen und sechs Armen stoßen. Es sind skurrile, surreale Wesen und Welten, die sich im „Galaktischen Museum“ tummeln bzw. auftun. Die barock üppige Sprache Ghimel Lehmigs in Kombination mit dem Blick auf das Verquere, das da vielleicht auf uns zukommt, erzeugt eine Art literarischen Steampunk, der in der gegenwärtigen deutschsprachigen Literatur ohne Vergleich dasteht.

Abgänge in alle Welt

Auch die Aufmachung der Romantrilogie ist drall: Illustrationen von Gernot Pock, wiedergegeben in Zweifarbdruck, schmücken die jeweils gut 200 Seiten starken Bände. Komplett wird das „Galaktische Museum“ seit November 2017 durch Buch 3 mit dem Titel „Abgänge“. Die Figuren des Romans feiern darin in einem Wiener Flakturm, wo sich Gufy Daun mit eine Unzahl von interagierenden Computern ein Atelier eingerichtet hat, den Jahreswechsel ins neue Millennium, bevor sie sich in alle Himmelsrichtungen verstreuen. Die einen verschlägt es auf verschlungenen Pfaden nach Südamerika, die anderen nach Tibet, ins Irrenhaus und ins Gefängnis. Und als kleine Reminiszenz an längst vergangene Tage hat sogar Carlos Castanedas New-Age-Bibel „Die Lehren des Don Juan“ einen kurzen Gastauftritt in diesem Buch – was perfekt zum „Galaktischen Museum“ passt, denn auch Castaneda war bekanntlich ein großer Fabulierer vor dem Herrn, der sich seine eigenen Welten zusammenzimmerte. Was nicht heißen soll, das „Galaktische Museum“ hätte etwas mit New Age am Hut. Sondern vielmehr, dass sich in dieser Trilogie ein Kosmos auftut, in den man als Leser sehr gerne eintaucht.

Mehr über Ghimel Lehmig, den ich als Lektor durch sein „Galaktisches Museum“ begleiten durfte, lesen Sie hier.

Die Trilogie „Das galaktische Museum“ ist im sehr guten Buchhandel erhältlich oder direkt beim Autor. www.ghimel-lehmig.com

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