Ins Detail gehen

Maria Nicolini kann mit ihren Büchern „Wissenschaft ist Sprache“ sowie „Das unterschätzte Vergnügen“ die Lust am Formulieren und an der texterischen Feinarbeit (neu) wecken.

Insbesondere wissenschaftliche Texte sind erstaunlich oft grausam zu lesen. Viele Autorinnen und Autoren verstecken sich hinter aufgetürmten Hauptwörtern und übertünchen ihre individuelle Handschrift mit hingedrucksten Passivsätzen. Ist es ein Naturgesetz, dass wissenschaftliche Sprache vor allem aufgeblasene Sprache ist? – Nein, meint Maria Nicolini, Professorin für soziale Ökologie an der Universität Klagenfurt und passionierte Spracharbeiterin. In ihren Seminaren zu „Text und Sprache“ zeigt sie, wie sehr es sich lohnt, an seinen eigenen Texten immer und immer wieder zu feilen und auf diese Weise aus schnell hingeworfenen Floskeln, die sich im Rahmen des üblichen Fachblablas bewegen, Sätze voller Aussage, Sinn, Tiefe und – ja sogar – Schönheit zu formen. Und das gilt nicht nur für wissenschaftlich-akademische, sondern auf für technische Texte und für solche, die in der Beamtenschaft gebräuchlich sind.

Zwei Bücher hat die habilitierte Erziehungswissenschaftlerin in den letzten Jahren zu diesem Thema vorgelegt: „Wissenschaft ist Sprache. Form und Freiheit im wissenschaftlichen Sprachgebrauch“ sowie „Das unterschätzte Vergnügen. Schreiben im Studium“. Beide Bücher sind sich im Inhalt sehr ähnlich bzw. überschneiden sich abschnitts- und kapitelweise. Mit mehr Gewinn zu lesen ist eindeutig „Das unterschätzte Vergnügen“, denn hier hat Nicolini alle Anregungen, die sie in Sachen anspruchsvolle Sprache geben kann, besser strukturiert als in „Wissenschaft ist Sprache“.

Feinheiten der Sprache
Anders als populäre Stilhandwerker wie Wolf Schneider hat Nicolini keine groben Allerweltsrezepte für „bessere“ Texte zur Hand – das will sie auch gar nicht. Dafür aber hat sie in ihren Seminaren mehrere Übungen erprobt, die den Sinn für die Feinheiten der Sprache schärfen. Nicolini arbeitet mit Umstellproben, lauscht den Änderungen nach, die kleinste Einschübe in Sätzen bewirken können, und entstellt Satzungetüme durch Streichungen bis zur Kenntlichkeit.

Beispielsatz: „Besonders bedeutend ist die Tatsache, dass sich LehrerInnen von ihren unabhängigen Unterrichtsrollen zu einer Interdependenz hinbewegen und dass in den offenen Schulstrukturen Rollen gemacht werden müssen.“

Nicolini streicht das zusammen zu: bedeutend ist, dass sich LehrerInnen bewegen und dass Rollen gemacht werden. Und siehe da: Man erkennt gleich, dass es sich um sinnfernes Gefloskel handelt. Nicolini nennt diese Methode „nackter Satz“ – in Anlehnung an Hans Christian Andersen und sein Märchen „Des Kaisers neue Kleider“.

Echte Verbesserung durch Arbeit am Detail
Der akademischen Schreibtrainerin geht es in ihren Büchern vor allem um die Arbeit am vorhandenen Text. In beiden Werken gibt sie detaillierte Einblicke in die vielfältigen Methoden und Werkzeuge aus ihren Sprach-Seminaren. „Das unterschätzte Vergnügen“ bietet zusätzlich ein nützliches Glossar und eine Checkliste, nach der man an seinen Texten feilen kann. Denn: Die Arbeit an den Details eines Textes bringt nicht nur kleine Verbesserungen, sondern meist echte Qualitätssprünge. – Auch das eine Einsicht Nicolinis, die sich mit meiner eigenen Lektorats- und Redaktionstätigkeit deckt.

Dieser Einsicht wegen und weil Nicolini es generell versteht, die Lust am Schreiben und Formulieren (neu) zu wecken, kann man ihre Bücher auch außerhalb des Universitätsbetriebs allen, die mit Texten arbeiten, unbedingt ans Herz legen.

Maria Nicolini: Wissenschaft ist Sprache. Form und Freiheit im wissenschaftlichen Sprachgebrauch. Wieser Verlag: Klagenfurt 2011. 128 Seiten.

Maria Nicolini: Das unterschätzte Vergnügen. Schreiben im Studium. Drava Verlag. Klagenfurt – Wien 2012. 178 Seiten.

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